Wie soll ich anfangen? In der ersten Phase der Erkrankung und kurz nach der Diagnose habe ich die Tatsache, dass ich nun chronisch krank bin eher verdrängt anstatt mich damit auseinander zu setzen. Nachdem ich die Erkrankung angenommen habe, fällt mir Vieles leichter. Ich versuche die Einschränkungen, die ich durch die Erkrankung habe, mir nicht allzu sehr zu Herzen zu nehmen. Häufig lenke ich meinen Fokus auf das Positive. Dennoch merke ich selbst dann noch, dass mich die Erkrankung nicht nur begleitet, sondern sich auch stetig bemerkbar macht. Um mir das Leben der damit nicht allzu schwer zu machen, verhalte mich möglichst diszipliniert, damit die Symptome nicht überhandnehmen und rede mir gelegentlich einige Dinge schön und nehme es mit Humor. Denn sonst, so glaube ich zumindest, ginge es mir nich viel schlechter.
Nichtsdestotrotz habe ich mich nach langer Phase des Informierens dazu durchgerungen einen Grad der Behinderung zu beantragen. Es fiel mir schwer diesen Schritt zu gehen. Ich dachte, dann bin ich offiziell behindert?! Aber dann wurden meine Gedanken klarer und ich bin nun der Meinung: Ich habe diese Erkrankung, ich habe diese Einschränkungen durch sie… dann kann ich doch auch bitte mir die „Sicherheitspakete“ des Sozialstaates Deutschland sichern, damit ich weniger Ängste davor habe irgendwann meinen Job zu verlieren,…
Also beschäftigte ich mich damit. Es heißt, wenn man aufgrund seiner Krankheit stark im beruflichen Alltag und sozialen Umfeld eingeschränkt ist, könne man solch einen einen Antrag auf Feststellung einer Behinderung stellen bzw. den Grad der Behinderung feststellen lassen. Für mich besteht darin kein Zweifel, dass ich diese Bedingungen erfülle.
Schwerbehinderung – der Begriff ist leider unglücklich gewählt. Dahinter verbirgt sich jedoch die Möglichkeit, auf unterschiedliche Weise einen Ausgleich für die Einschränkungen zu erhalten, die Du womöglich durch Deine CED erfährst. Das ist gesetzlich geregelt und kein besonderer Vorteil, sondern eine faire Sache. Auch im Berufsleben kann ein Schwerbehindertenstatus Nachteile ausgleichen. (Das habe ich bei Leben mit CED nachgelesen)
Abhängig vom Ausmaß der Einschränkungen, die eine Erkrankung mit sich bringt, wird der Grad der Behinderung (GdB) bestimmt. Im Sinne des Gesetzes liegt eine Schwerbehinderung vor, wenn ein GdB von mindestens 50 festgestellt wurde. Sie ist wiederum Voraussetzung für unterschiedliche im Sozialrecht vorgesehene Nachteilsausgleiche.
Besteht für einen Morbus Crohn-Betroffenen eine anerkannte Schwerbehinderung, bekommen diese einen Schwerbehindertenausweis. Damit verbunden können Betroffene in verschiedenen Alltagsbereichen sowie im Berufsleben folgende Hilfe bzw. Nachteilsausgleiche geltend gemacht werden.
Hierzu zählen unter anderem:
- besonderer Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer
- Zusatzurlaub für schwerbehinderte Arbeitnehmer
- steuerliche Vorteile
- Parkerleichterung und Parkausweise
- ermäßigte Eintrittspreise in Freizeit- und Kultureinrichtungen
Wenn Dein GdB kleiner als 50, aber mindestens 30 ist, kann in bestimmten Fällen eine „Gleichstellung“ mit Schwerbehinderten erfolgen. Dann können ähnliche Regelungen für Dich gelten, wie beim Vorliegen einer Schwerbehinderung ab einem GdB von 50.
Ich habe mich gut mit den Einschränkungen durch die CED arrangiert, aber das heißt ja nicht, dass sie nicht mehr vorhanden sind. Ich bin in meinem Alltag eingeschränkt. Wenn ich nicht so einen tollen Arbeitgeber hätte, der mir Heimarbeit erlauben würde, wäre ich nicht in der Verfassung diesen Job, der sowieso auch schon in Teilzeit ausgeführt ist, auszuüben. Ich fühle mich eingeschränkt in meinem Kraftdepot. Ich muss diszipliniert Ruhephasen einhalten, damit ich nicht zu häufig ausfalle und so meinen Job verliere. Meine Freizeit hat sich verschoben aufs Ausruhen, zum Arzt gehen und auf der Toilette verbringen. Mir bleibt also weniger Zeit für die schönen Dinge im Leben 😉
Aber ich bin für jede schöne Sekunde dankbar und lebe glücklich damit. Das heißt aber nicht, dass ich mich durch die Erkrankung nicht eingeschränkt fühle. Ich versuche nur das Beste daraus zu machen.
Und das wird mir jetzt zum Hindernis?!
Also wie lief das nun?
Der Antrag erfolgt über das Versorgungsamt, ich reichte hierzu Daten der behandelnden Ärzte ein und Arztberichte. Ein halbes Jahr später bekam ich Post.
Ich selbst empfinde die Einschränkungen im Alltag als schwer behindert. Das sah jedoch das Versorgungsamt anders. Behindert ja, aber nicht schwer.
Was macht das nun mit mir?
Es tat weh und fühlt sich irgendwie bescheuert an, dass man traurig ist nicht schwerbehindert zu sein. Dies möchte man ja gar nicht sein eigentlich. Nein. Abhaken!
Abhaken? Nein, es ist doch nun mal so. Ich bin schwer eingeschränkt dadurch. Ist es nicht schon traurig genug, dass es so ist? Irgendwie fühlt es sich echt scheiße an, dann noch dafür zu kämpfen, dass dies gesehen wird.
Ich habe Pech. Ich passe wohl nicht ins Raster. Die aktuelle Einstufung des Grades der Behinderung wird anhand folgender Kriterien vorgenommen:
mit geringer Auswirkung (geringe Beschwerden, keine oder geringe Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, selten Durchfälle) gibt es einen GdB von 10 – 20 mit mittelschwerer Auswirkung (häufig rezidivierend oder länger anhaltende Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufiger Durchfälle) gibt es einen GdB von 30 – 40 mit schwerer Auswirkung (anhaltende oder häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche, auch nächtliche Durchfälle) gibt es einen GdB von 50 – 60 mit schwerster Auswirkung (häufig rezidivierende oder anhaltende schwere Beschwerden, schwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, ausgeprägte Anämie) gibt es einen GdB von 70 – 80.
Generell ist es ja schon mal gut auf die Häufigkeit der Beschwerden und Ernährungszustand einzugehen. Ich fühle mich aber ganz ehrlich richtig bescheiden mit der Einstufung.
Ich legte Widerspruch ein. Und es riss wieder alte und auch neue Wunden auf. Die gesamte Krankheitsgeschichte musste ich auf Papier bringen. Und ganz ehrlich, wenn man alles so schwarz auf weiß, wurde mir bewusst, dass das schon ne große Scheiße war. Mir kommen jetzt noch dir Tränen, wenn ich daran denke.
Kurz darauf (hahaha ein halbes Jahr später) bekam ich die Information vom Sozialgericht, dass ich zu 3 Gutachtern muss. 3-4 Monate später war ich mit den Untersuchungen durch. Und ich möchte sowas so schnell nicht nochmal erleben. Da liegt man da wie ein Stück Fleisch und wird „begutachtet“. Und ganz ehrlich, wie wollen die mich denn jetzt beurteilen? Eigentlich hätte man doch eine Koloskopie machen sollen, um den Zustand in meinem Darm bewerten zu können. Stattdessen schaut man mich an und denkt: Die hat kein Untergewicht, ergo ist sie nicht eingeschränkt in der Ernährung.
Auf die Dinge, die ich erzählt habe wurde kaum Bezug genommen. Ich fühlte mich schlecht während dieser Untersuchungen. Wieder musste ich in 10 Minuten erzählen wie ich mich fühle, was ich für Erkrankungen in meinem Leben hatte und wie das mit der CED so ist. In Unterwäsche auf dem Untersuchungstisch liegend wurde fast auf dem ganzen Körper Ultraschall-Gel verteilt und meine Gliedmaßen vermessen. Ständig hatte ich das Gefühl ich müsse mich Verteidigen, für etwas kämpfen, was ich gar nicht haben möchte.
In dem Gutachten, was ich dann weitere 4 Monate später erhielt bestätigten die Gutachten nun, dass ich nicht schwer behindert sei. Es brach mir das Herz. Und gleichzeitig fühle ich mich dabei schizophren. Wünsche ich mir schwer behindert zu sein? Nein, eigentlich nicht. Ich wünsche mir nur, dass ich Unterstützung bekomme und mir geglaubt wird, dass ich mich im Alltag schwer behindert fühle.
Wenn es mir jetzt so gut ginge, dass es mir egal wäre, dann würde ich mich freuen, dass es so ist. Ich würde mich freuen, dass ich nur ein bißchen behindert bin 🙂
Aber aktuell fühle ich mich missverstanden. Geht es um das Finanzielle? Wenn ja, dann waren doch bestimmt die Gutachtertermine und das Verfahren teurer für den Staat, als mir und meinen Ärzten zu glauben, dass mich die Erkrankung einschränkt.
Die Tage bekam ich einen Anruf von meinem behandelnden Arzt. Er wurde nicht mal befragt damals. Nur nach Laborwerten wurde gefragt. Aber meine Laborwerte sind selbst im heftigsten Schub noch recht normal. Dadurch, dass ich meine Arschbacken zusammenkneife und zur Arbeit gehe mich nicht immer direkt krankschreiben lasse, wird mir jetzt nicht geglaubt. Da läuft doch was schief?!
Ich habe jeden Tag Schmerzen, ich kann wahrscheinlich keine Kinder zur Welt bringen, ich musste meinen damaligen Job aufgeben, ich habe einige Freunde verloren, ich kann nicht spontan mal wo Essen gehen oder verreisen, ich bin angewiesen auf meine Medikamente, ich … ich… ich hab gar keinen Bock auf dieses behämmerte Gejammer, denn ich bin stark und habe mich damit arrangiert. Es ist ok. Es ist wirklich in Ordnung und ich liebe mein Leben trotz alle dem.
Aber es ist absolut nicht ok, dass nicht nur ich, sondern viele andere Menschen dafür „bestraft“ werden, dass sie sich zusammenreißen, dass sie trotz alle dem ein schönes Leben führen und es sich verdammt nochmal nicht jeden Tag ansehen lassen wollen, dass es Kraft kostet und häufig ein Kampf ist chronisch krank zu sein!!!
Da läuft doch was mächtig schief…
Entschuldigt, das musste einfach raus!
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