Okt 01

Report #7: Lila berichtet „Reisen im Wandel“

Dies ist ein Beitrag von der lieben Lila, ich freue mich sehr darüber, dass sie Lust hatte einen Gastbeitrag zu schreiben und ich Euch so auch ihren wundervollen Blog empfehlen kann.

Gastbeitrag „Reisen im Wandel“ von Lila
Liebe Eva, vielen Dank für die Möglichkeit, mich hier zu Wort melden zu dürfen. Für mehr Einträge und Gedanken von mir steht euch http://www.daslilaelement.com zur Verfügung. Viel Spaß beim Lesen.
Solange ich zurückdenken kann, begleitet mich das Reisen. Das Gefühl von Fernweh ist mir sehr vertraut. Es suchte mich heim, ich lernte es kennen und es verließ mich nie mehr. Fernweh wird definiert als der Gegensatz des Heimwehs und beschreibt die Sehnsucht eines Menschen, vertraute Verhältnisse zu verlassen und sich die Welt zu erschließen. Ich persönlich genieße mein Zuhause, liebe es und hier fühle ich mich wohl. Essenziell, denn hierher komme ich gerne zurück. Man könnte es auf die Spitze treiben und sagen, dass das Leben erst nach der Komfortzone beginnt – denn ein Leben ohne das Reisen, also das Andere und bisher Unerforschte, kann ich mir gar nicht vorstellen. Es ist eine Art Spiel, eine Gradwanderung zwischen dem Heimweh und dem Fernweh. Ich brauche beides, es fordert mich heraus und bereichert mich zugleich. Ich bin dankbar für jede Reise, die ich antreten darf.

Über die Jahre hinweg habe ich schon manchmal überlegt, wie das wohl war, bevor ich krank wurde. Also wie das Reisen war, bevor es etwas komplizierter wurde. Dafür denke ich zum Beispiel an die Jamaikareise 2004 mit meiner Mama zurück, die so heute nicht mehr stattfinden würde. Ich erkläre warum. Das Wetter war karibisch und das Essen lecker.

Wir erkundeten die Gegend – das Klippen Café, der Leuchtturm, mal aus einer Kokosnuss trinken, sonntags die Kirche besuchen und lernten die Insel mit dem Auto kennen. Wir fuhren auf dem Black River mit seinen Krokodilen, liefen durch die Rumdestillerie Jamaikas und sahen mehrere Wasserfälle. Jeden Abend betrachteten wir den Sonnenuntergang. Ich feierte zur deutschen und zur jamaikanischen Zeit meinen Geburtstag. Es war eine wundervolle Erfahrung.

Sie würde so heute nicht mehr stattfinden, keine zwei Wochen in der größten Hitze. Die Sonne und ich sind keine Freunde mehr. Mit meinen Medikamenten soll ich eh nicht großartig in die Sonne, ich bekomme Allergien, Ausschläge, Schmerzen. Außerdem kann ich mit Schwitzen überhaupt nicht umgehen, früher kein Problem. Grundsätzlich setzt mir Hitze heutzutage sehr zu, ich fühle mich unwohl und schlapp.

Auch könnte ich nicht mehr querbeet essen, was es dort gab. Ich würde aussortieren, selbst in der schubfreien Zeit. Gewürze sind dort einfach anders in Gebrauch als in Deutschland, mein Gedärm hätte öfter rebelliert. Damals kam mein Körper mit allem gut aus und hatte keine großen Ansprüche. Die Touren auf der Insel wären schon möglich gewesen, nur mit viel mehr Planung im Voraus. Auch unsere kleinen Spaziergänge wären möglich gewesen, aber nur morgens und abends wenn die Sonne am Schwächsten gewesen wäre. I

Ich bin heute öfter erschöpft und lange Wanderungen sind gewiss nicht mein Favorit. Früher hätte ich nie immer meine Tasche dabeigehabt, was nun wegen eventueller Unfälle immer der Fall ist. Hauptgrund unserer Reise war das gemeinsame Hobby – Tauchen. Fast jeden Tag ging es raus, kein Neoprenanzug notwendig nur die Flasche drauf und los. Unkompliziert eigentlich, aber durch den Beutel und meine Hernien-Vorgeschichte nicht unbedingt eine gute Idee. Gibt es überhaupt bebeutelte Taucher?

Die An- und Abreise mit Langstreckenflügen stellten damals kein Problem dar und sind selbst jetzt mit Crohn und

Beutel für mich bisher kein großes Problem gewesen. Man muss nur die WCs auf dem Weg gut ausnutzen und für Notfälle ausgerüstet sein. Transporte sind gut durchdacht, Bewegungen wohl überlegt. Ich lebte im Urlaub sowie im Alltag sorgenfreier und spontaner.

Dreizehn Jahre ändern viel.
Nur vier Jahre später traf ich mein Cröhnchen und musste von dann an als Crohner das Reisen lernen. Zu starken Schüben war ich seit meiner Erstdiagnose 2008 nicht mehr in den Urlaub gefahren und hatte nun mit für mich inzwischen normalen aber nicht vernichtenden Beschwerden auf Reisen zu tun. 2012 wagten mein B. und ich unsere Erste Reise in die Stadt der Liebe. Eine wundervolle Stadt, die uns mit Charme und gutem Essen in ihren Bann gezogen hat. Allein für ein echtes französisches Eclair würden wir noch mal hinfahren. Die An- und Abreise mit Auto und dem TGV waren total entspannt, die Verbindung von Straßburg nach Paris einfach gut.

Das ÖPNV-Netz vor Ort einer Großstadt würdig, half uns, wenn die Füße mal schwer wurden. Die Erkundung einer Stadt heißt auch immer, dass man jeden Tag viele Kilometer läuft, ohne es wirklich wahrzunehmen. Frische Luft und die Bewegung machten uns zufrieden und müde. Vielleicht lag es an der neuen Liebe, der Stadt oder meinem Zustand, aber ich war weder übermäßig erschöpft noch angeschlagen. Wir bestiegen den Eifelturm, trotz meiner Höhenangst und Angst-Tränchen.

Wir schlenderten durch die Straßen der Stadt, mit wunderschönen Gebäuden, die aufwendig verziert waren und goldene Figuren zeigten. Aus der Ferne sahen wir auch die Mona Lisa, nur von Weitem, denn es ähnelte einem SSV, verrückt. Der Arc de Triomphe, die Notre Dame, das Denkmal an dem Tunnel, in dem Prinzessin Diana an meinem Geburtstag vor 15 Jahren verunglückte und eine Bootstour auf der Seine bei Sonnenschein. Auch die beeindruckende Sacré-Cœur de Montmartre bestiegen wir und verweilten lange auf der Anhöhe, um zu sehen, wie die Lichter der Stadt zur Nacht angingen. Obwohl man immer hört, dass der Franzose an sich ungern Englisch spricht – in der Hauptstadt scheint das kein Problem zu sein. Was aber wohl ein Problemchen hätte sein können, ist, dass der Franzose an sich die Sache mit dem personal space nicht ganz so genau nimmt. Getreu dem Motto: Die Welt ist ein Dorf, trafen wir vor Ort meine gute Freundin K. und verbrachten gemeinsame Stunden in der Fremde und fühlten uns doch Zuhause. Städtereisen sind für Crohner eine gute Sache.

Die Infrastruktur einer Stadt ist perfekt, in vielerlei Hinsicht. Wenn die Füße müde werden, setzt man sich in eine Straßenbahn, U-Bahn oder den Bus. Niemand zwingt einen, alles zu erlaufen. Solche Reisen sind anstrengend, aber man gestaltet sie nur so anstrengend, wie man es verträgt. Wenn man nicht alles essen kann, ist das kein Problem, denn die Stadt bietet so viel Auswahl. Egal wonach einem der Sinn steht, in der Stadt werden alle Wünsche erfüllt. Paris zum Beispiel experimentiert jetzt nicht mit verrückten Gewürzen, ich hatte vor Ort keinerlei Probleme mit dem Essen. Und das normale Niveau an Bauchweh steckt man irgendwann weg. Sollte es einem wirklich nicht gut gehen, bietet die Stadt Apotheken, Ärzte und Krankenhäuser – dank Auslandskrankenversicherung kein Problem. Zusätzlich empfehle ich eine Reiseapotheke, die ich selbst immer dabeihabe.

Ich nehme mit, was ich aus Erfahrung öfter brauche – Schmerzmittel, etwas gegen Halsweh und Verstauchungen plus meine Dauermedikamente. Was aber mit am Wichtigsten ist, ist der Fakt, dass man seine Städtereise komplett eigenständig plant. Wie lang man schläft, wie viel man läuft, ob man etwas Aufregendes macht oder eine ruhige Aktivität, drinnen oder draußen, alles. In den letzten Jahren habe ich die CityMaps2Go-App schätzen gelernt. Sie funktioniert offline, ich kann alles schon einspeichern und es zeigt immer meinen Standpunkt an – wenn ich es brauche, zeigt sie mir, wo das nächste Restaurant mit Klo ist. Städtereisen sind eine gute Sache!
Das Leben geht weiter, verändert sich und so ändern sich auch die Umstände auf Reisen. Seit fast zwei Jahre bin ich nicht mehr nur ein Crohner auf Reisen, sondern zusätzlich mit einem Beutel unterwegs. Trotz dieses enormen Einschnittes begannen wir bald wieder, auf Reisen zu gehen und Wien war – bedingt durch ein Blind Booking Versuch – der Probelauf für New York. Eine tolle Stadt mit viel Flair, schöner Architektur und mit viel Sonnenschein. Schon am Anreisetag waren wir ab dem Mittag mitten drin statt nur dabei. Überall in der Stadt waren Ostermärkte mit wundervollem Handwerk und einem unfassbaren Essensangebot. Wir stolperten in so viele Ostergottesdienste hinein, die Stadt schien zu strahlen zu dieser Zeit.

Die Wiener waren ein extrem entspanntes Völkchen, es steckte uns fast ein bisschen an. Wir besuchten Schloss Schönbrunn samt Führung und danach sogar den angrenzenden Zoo, welcher der älteste der Welt sein soll. Wir wanderten durch die Straßen, die uns an Paris erinnerten, besuchten die eisernen und prunkvollen Särge von Sissi und Franz, bestiegen den stolzen Steffl und kauften in dessen Nachbarschaft dann die heimischen Manner-Schnitten, ein Muss für den Wien-Besuch. Unser Abstecher zum Wiener Prater, dem dauerhaften Amüsierpark Wiens, beinhaltete eine Fahr mit dem Riesenrad, welches für meine Höhenangst wieder ein gefundenes Fressen war. Den Prater sahen wir dann auch hell erleuchtet vom Donauturm aus, der um die Uhrzeit von ausgestorben schien.

Meine Anmerkungen zu dieser Reise betreffen die Themen Fliegen mit Stoma und Unfälle sowie mitgebrachte Versorgung. Ich liebe das Fliegen, als musste das schnell getestet werden. Ich trage mehre Notfall-Versorgungen mit mir – die Platten schon vorgeschnitten wegen der Schere, die ich nicht mitnehmen darf und das Lösungsspray in Reisegröße. Für die Versorgung gibt es von Coloplast einen kleinen Ausweis mit Arztstempel, der euch die Notwendigkeit bescheinigt. Habe ich bisher noch nie zeigen müssen.

Zum Leeren des Beutels, damals noch ein Ileostoma, nutze ich immer die Flughafen-WCs. Bei Langstrecken bleibt das Nutzen des Flugzeug-WCs dann irgendwann nicht mehr aus, aber auch das habe ich schon hinter mir und ich kann sagen: es funktioniert.

Zu Sicherheitskontrollen konnte ich bei dieser Reise erst mal nur feststellen, dass die älteren und kantigen Personenscanner den Beutel nicht entdecken können. Ich wurde nicht rausgezogen. Das sieht bei den neuen Scannern anders aus – sagt gleich beim Reintreten, dass ihr ein Stoma habt, denn sie können es sehen und reagieren, wenn sie es nicht wissen, nicht unbedingt einfühlsam. Sagt es von Beginn an, dann darf euch das Personal nicht anfassen und macht lediglich einen Sprengstofftest mit euch.

Mein Stoma hat sich ans Fliegen aber erst mal gewöhnen müssen – da sich der Dünndarm nun direkt zu Wort melden konnte, unterlief es mir ein Tag nach dem Flug unerwartet mit einer klaren Flüssigkeit, die sich keiner erklären konnte. Das wiederholte sich bei anderen Flügen auch. Es war dann nicht weiter schlimm, auch wenn es mich interessieren würde, was mein Gedärm da wohl gedacht hat. Die Fortbewegung vor Ort änderte sich in zwei Punkten – ich trug bei den langen Strecken öfter meine Bandage, weil es angenehmer für die Körpermitte war und es war die letzte Städtereise mit normaler Umhängetasche, die sich negativ auf meine geschwächte Körpermitte auswirkte. Ab der nächsten Reise gab es einen kleinen Rucksack, der viel angenehmer zu tragen war.

Es heißt, dass man auf Reisen immer die doppelte Menge an Versorgung mitnehmen soll, alles im Handgepäck. Ich habe es so noch nie gemacht, ich brauche mehr Sicherheit und nehme das 3-4 fache mit. Es ist eine Kopfsache, denn ich bringe immer wieder viel nach Hause mit, aber so ist es mir lieber. Ich habe etwas im Handgepäck für Notfälle, der Rest wird auf unsere zwei Koffer aufgeteilt. Fertig. Da mir die Versorgung schon mal nachts unterlaufen war, will ich im Hotelzimmer kein Risiko eingehen. Deswegen habe ich mir für unterwegs eine kleine undurchlässige Unterlage besorgt, die eigentlich für Babys ist – sie erfüllt aber ihren Zweck, ich lege die einfach auf das Laken und ich kann beruhigt schlafen. Passiert ist aber noch nie etwas, wenigstens nicht nachts. Denn der Blick auf den leuchtenden Prater vom Donauturm, nun ja, das war der Blick aus der Klokabine, in der ich meine Versorgung gewechselt habe.

Oben angekommen habe ich es gespürt und habe mir ein paar Minuten Zeit genommen, meine Unterwäsche zu wechseln und alles zu erneuern. Ist zwar komisch, auf einem öffentlichen Ort, aber man gewöhnt sich daran. Zu Beginn meiner Beutelzeit war ich dann immer ziemlich niedergeschlagen, aber manchmal stimmt es: Shit happens.

Aber es ist halb so wild und es geht weiter. Was ich sagen will: Reisen mit Beutel sind vielleicht etwas anders, aber niemals weniger schön!
Ich bin dankbar für jede Reise, die ich antreten darf und das meine ich so, wie ich es sage. Ich weiß nicht, was sich noch alles verändern wird, weiß nicht, was noch alles kommt. Aber ich weiß, dass ich die Welt entdecken möchte.

Und davon hält mich so schnell nichts ab – auch kein Handicap. Reisen tut mir gut und es macht mich glücklich. Das bedeutet nicht, dass das Reisen immer leicht ist, aber es ist jede Anstrengung wert. Es bedeutet, dass man auch trotz Schwierigkeiten Glück empfinden kann.

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